Schönbergs "Suite" entstand im letzten Viertel des Jahres 1934, mithin zu jener Zeit, da sich der emigrierte Komponist gerade an der amerikanischen Westküste zu etablieren begann. Es handelt sich um das erste umfangreichere tonale Werk, das Schönberg nach einem Vierteljahrhundert der Beschäftigung mit Atonalität und Zwölftontechnik abgeschlossen vorlegte.
Dass Schönberg seit seinem Zweiten Streichquartett von 1908 keine dur-moll-tonale Komposition mehr veröffentlichte, darf freilich nicht zu der Annahme verleiten, dass er sich nicht auch weiterhin in Gelegenheitsarbeiten, Bearbeitungen fremder Werke und mehreren unvollendet gebliebenen Versuchen mit der Tonalität auseinandergesetzt habe. Schönberg sprach von einer "Sehnsucht", zu dem "älteren Stil zurückzukehren", die "immer mächtig" in ihm gewesen sei: "Also schreibe ich manchmal tonale Musik", fuhr er fort, "für mich haben stilistische Unterschiede dieser Art keine besondere Bedeutung."
Wichtig war es ihm aber auch festzuhalten, daß die neuerliche Anwendung dur-moll-tonaler Verfahren keine Konzession an den Geschmack des amerikanischen Publikums bedeutete. In einem Anfang 1935 verfaßten Vorwort zur "Suite" verteidigte sich Schönberg so gegen die zu erwartende Kritiker-Häme, mit dieser Komposition seinem zwölftönigen Schaffen abgeschworen zu haben, und er betonte vor allem den pädagogischen Anspruch seines Werkes.
zit. nach: Matthias Schmidt © Arnold Schönberg Center
Daß Schönberg bei anderer Gelegenheit unterstrich, mit der "Suite" auch ein "Lehrstück" für [s]eine Kompositionsschüler geplant" zu haben, erweist freilich erst die tatsächliche Dimension des Anspruchs, den er mit seinem Werk stellte: Eine didaktische Brücke zwischen der musikalischen Überlieferung und einem emphatischen Bekenntnis zur "Moderne" zu schlagen. Der punktierte Rhythmus des "Largo"-Beginns der "Ouverture", die Grazilität der "Gavotte", der Bordun der "Musette" und der 12/8-Rhythmus der "Gigue" sind nur als oberflächliche Indizien für Schönbergs Ausrichtung an der musikalischen Tradition zu werten.
Schönberg will die vorgefundenen Zeugnisse der Überlieferung weder nachahmen noch verfremdend parodieren. Er sieht sich vielmehr von einer als fortlebend empfundenen Traditionslinie der "deutschen Musik" seit Bach und Mozart getragen und versucht in seiner eigenen Komposition, das aus der Vergangenheit Gelernte zeitgemäß zum Klingen zu bringen. Mit "Lehrbeispielen" wie der "Suite" wollte Schönberg - wie er selber sagte - einer "Neuheit" nachspüren, die "niemals vergeht".
zit. nach: Matthias Schmidt © Arnold Schönberg Center